WG139 – Briefentwurf an Alma Mahler
Berlin, zwischen Montag, 29. Mai und Donnerstag, 1. Juni 1911

, es ist sehr schwer
für mich, jetzt alles
zu verstehen, aber ich
habe ein so unbegrenz-
tes Vertrauen zu Dir

 \Du weißt was das rechte tust/
daß ich getrost auf
Sonne warte

 Zunehmender Mond
sonst müsste es
Es liegt etwas Kränkendes
für mich darin \dabei/ daß Du
nicht irgend ein paar
Worte, mit Telegramm
ermöglichen \fändest/ solltest, daß
auch mir diese schweren
Tage etwas zu erleichtern
hilft. Ich weiß nichts
von Dir, darum liegt
es mir fern, Dir
Vorwürfe zu machen,

Du mußt \wirst ja/ selbst wis-
sen, warum Du so
handelst und ich warte
eben, bis Du mir
Aufklärung giebst.

 Harte Probe meiner
Liebe    

Du weißt was ich Dir

für Dein neues Jahr
wünschte, es schließt
vieles ein.  
In Dir wechselt mir
höchstes Licht und höchste
Finsternis.  
In einigen Dingen
stehe ich auf dem
Boden selbständiger
Spekulation

Mit einer Klärung für
Wenn eine Mauer da
ist kann nicht der eine
allein warten, sondern
beide müssen es tun
müssen beide kämpfen und
beide warten
ich wir werden uns also g\G/e-
dulden \haben/ müssen, bis wir uns
noch besser kennen. Jetzt
überschweigst \Du/ mit ängst-
licher Scheu noch so laute
Fragen als wolltest Du
das Schicksal \nicht/ versuchen.

Wie sonderbar das alles,
noch \immer/ kein erklärendes Wort \von Dir/,
Was ist Dir, wer veran-
laßt Dich zu dieserm Haltung Tun?
Muß das wirklich alles
so sein? Ich weiß \erhielt auch/ Deine
Adreße nicht, wolltest
Du denn nichts von
mir hören? \zumal nach d unfreiwilligen Pause/ So sprich
doch nun, Du erschreckst
mich so!
Man darf an ein höheres
Geschick glauben, als das der
unbewußten unterjochten
Materie Secession


Apparat

Überlieferung

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Quellenbeschreibung

4 Bl. (4 b. S.) – Notizblock.

Druck

Erstveröffentlichung.

Korrespondenzstellen

keine.

Datierung

Aufgrund des Passus etwas Kränkendes für mich […] \dabei/ daß Du nicht irgend ein paar Worte, mit Telegramm […] \fändest/ […], daß auch mir diese schweren Tage etwas zu erleichtern hilft kann angenommen werden, dass WG hier das lange Schweigen AMs nach Tod am 18. Mai 1911 thematisierte, das ihn offensichtlich zunehmend kränkte. Wann genau seine Enttäuschung über AMs Schweigen einsetzte, lässt sich nicht rekonstruieren. Die erste Nachricht von AM nach dem Tod erhielt WG am 1. Juni (s. AM67 vom 31. Mai 1911 mit WGs Eingangsvermerk vom 1. Juni). Daraus kann geschlossen werden, dass der vorliegende Entwurf Ende Mai, spätestens am 1. Juni 1911 vor dem Eintreffen von AM67 entstanden sein muss. Wenn man die Zeile Zunehmender Mond wörtlich nimmt, ließe sich der vorliegende Entwurf auf den 29. Mai bis 1. Juni 1911 datieren.

Übertragung/Mitarbeit


(Fabian Müller)